Liquidationspräferenz: So sichern sich VCs in Krisen ab -
zum Nachteil von Gründern

Liquidationspräferenzen werden wieder öfter in Finanzierungsrunden verwendet.
Ein M&A-Experte erklärt, was das Sonderrecht bedeutet.

Liquidationspräferenz – Zum Nachteil von Gründern
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Liquidationspräferenz: So sichern sich VCs in Krisen ab - zum Nachteil von Gründern
Liquidationspräferenzen werden wieder öfter in Finanzierungsrunden verwendet. Ein M&A-Experte erklärt, was das Sonderrecht bedeutet. 

 

Gründer, die aktuell Geld einsammeln wollen, müssen heute beim Verhandeln mit Investoren in den sauren Apfel beißen. Ein Gastbeitrag von Christian Saxenhammer, Managing Director der Berliner M&A-Beratungsfirma Saxenhammer & Co. Corporate Finance GmbH. Er hat bereits Hunderte Unternehmenskäufe und -verkäufe begleitet und vorbereitet. Seit Beginn der Corona-Pandemie fährt der Markt für Risikokapital Achterbahn: Mal ist mehr, mal weniger Wagniskapital da. Aktuell herrscht wieder Zurückhaltung im Markt. Kein Wunder, dass sich neue Investoren, die frisches Kapital mitbringen und entsprechend umworben werden, Sonderrechte einfordern. Und zwar nicht in Form von mehr Stimmrechten, sondern in Form von mehr Geld im Falle eines Exits.
Das funktioniert mithilfe der Liquidationspräferenz. Da der Markt gerade wieder unbeständiger ist und Risikokapitalfirmen derzeit am längeren Hebel sitzen, bekommen sie die auch. Je nach Verhandlungssituation, Marktlage in puncto Verfügbarkeit von Risikokapital oder Risikoprofil und Branche des Startups sollten oder müssen sich Gründer und Investoren darauf einlassen. Denn im Gegenzug erhalten sie dringend benötigtes Kapital, damit es weitergehen kann. Wichtig vorab: Es geht bei Liquidationspräferenz nicht unbedingt um die Liquidation im Wortsinn, sondern um den Exit des Startups allgemein. Allerdings möchte sich der neue Investor für ein negatives Szenario absichern. Liquidationspräferenzen wirken als Schutz für Down Rounds, aber auch ungewünschte Szenarien wie dem Verkauf zu einem schlechten Kaufpreis "unter Wert" oder eben einer Liquidation, also einer Insolvenz. Der Investor sichert mit der Liquidationspräferenz sein Investment auch bei schlechter Performance des Unternehmens ab. So wird dem Markt signalisiert, dass man mit zwischenzeitlichen geringeren Bewertungen rechnet, auch wenn man langfristig an die Firma glaubt (sonst würde man ja nicht einsteigen). Zudem gilt das Prinzip: "Last in, first out". Es wird derjenige bevorzugt, der zuletzt eingestiegen ist. Im Idealfall gibt es eine Überrendite - für den neuen Investor Die Liquidationspräferenz wird häufig in Risikokapitalverträgen verwendet, es gibt sie aber auch anderswo. Sie schreibt die Auszahlungsreihenfolge im Falle einer Unternehmensliquidation vertraglich fest und bestimmt damit, wer zuerst bezahlt wird und wie viel bezahlt wird, wenn ein Unternehmen liquidiert werden muss. Für die Ausgestaltung gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen als "1x", das heißt, man bekommt sein eingesetztes Investment als Erster zu 100 Prozent zurück. Wenn dieses beispielsweise eine Million Euro betragen hat und der Verkaufspreis genau dieser Höhe entspricht, gehen alle anderen Anteilseigner leer aus. Es gibt aber auch Varianten, bei denen zusätzlich mit einem Faktor verzinst wird, also etwa "eingesetztes Kapital x 1,90". Das ist die Rückzahlungserwartung des Investors, wobei der reale Erlös selbstverständlich vom Verkaufspreis abhängig ist. Eine "anrechenbare Liquidationspräferenz" bedeutet, dass der Erlös aus der Liquidationspräferenz auf den pro-rata-Anteil (also dem rechnerischen Anteil am Vermögen, beispielsweise 25 Prozent) des Verkaufserlöses angerechnet wird. Bei einem prorata- Erlös, der die Liquidationspräferenz übersteigt, ist dieses Instrument also neutral. Gründer müssen in den sauren Apfel beißen Die "nicht-anrechenbare Liquidationspräferenz" geht dagegen von einem Positivszenario aus und wird - wie der Begriff vermuten lässt - nicht angerechnet. Hier erhält der Investor neben der Liquidationspräferenz auch seinen ihm zustehenden prorata- Anteil. Er erzielt auf diese Weise eine Überrendite - und damit naturgemäß immer mehr als die anderen Kapitalgeber und Gründer. Eine eindeutige Bevorzugung selbst für Schönwetterzeiten. Die häufigste Form ist allerdings die anrechenbare Liquidationspräferenz.
Liquidationspräferenzen liegen im Trend und werden wegen der hohen Unsicherheit wieder öfter verwendet. Sie reflektieren so auch die gewachsene Investorenskepsis zu den wirtschaftlichen Aussichten. Gründer müssen je nach Verhandlungsmacht aktuell in diesen sauren Apfel beißen; allenfalls können sie eine anrechenbare Liquidationspräferenz herausschlagen.

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